„Lug, Ton und Kip. Die Erforschung der Wicklows“ – ein intensives Literaturstückchen von Aleks Scholz

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Aleks Scholz, Lug, Ton und Kip. Die Erforschung der Wicklows, eBook, Maxi, Culturbooks Hamburg, 2013, S. 56, 3,49 Euro

Der Titel war es nicht, der mich zu diesem Buch verführte. Ich hatte keine Ahnung wer oder was die Wicklows sind. Als ich im Klappentext erfuhr, es handele sich um braune, moorige, völlig uninteressante Berge in Irland, ließ sich mein Enthusiasmus durchaus zügeln. Aber dass ein Ausflug in irgendwelche Drecksberge, „ein Trip ins Unterbewusstsein“ sein sollte, interessierte mich dann doch. Ins Unterbewusste also. Ich mag es ja nicht so. Es klingt immer ein bisschen nach Keller. Außerdem stellt sich bei mir automatisch die Vorstellung ein, es müsse ein Pendant dazu geben, das Überbewusstsein etwa, das, fürchte ich, gleich neben dem Übersinnlichen im Oberstübchen wohnt.

Ich bevorzuge das Unbewusste, weil es sich so nett unbewertet dem Bewussten zugesellt. Es ist ihm ähnlich, nur weiß man halt nix von.  Nun gibt es ja eine endlose Anzahl von Techniken und Methoden, sich dem eigenen Unbewussten zu nähern. Das geht nicht direkt, nicht unmittelbar sprachlich. Das Unbewusste liegt abseits der Sprache (anderenfalls wäre das auch zu einfach), es liegt quasi in ihrem Schatten. Dort scheint es ein Eigenleben zu führen, das dunkel und bedrohlich anmutet. In Wirklichkeit macht es sehr viele gute Sachen und rackert sich nachts in unseren Träumen ab, auf das wir nicht verrückt werden. Aber das genügt uns nicht, wir wollen es kennen lernen, es erkennen und verstehen. Und das geht, heißt es, in den Nebeln, Mooren und Trogtälern der Wicklows.

Der Ich-Erzähler wusste das erst nicht und geriet zunächst arglos in die flachen Berge unweit von Dublin, die irgendwie gar keine sind, sondern eher bemooste Schwämme. Ein Naherholungsgebiet ist die Gegend eher nicht, obwohl ein paar Kletterer sie schätzen und sich Spaziergänger mit Picknickkörben an ihre Ränder vorwagen. Kaum einer hält sich über die Abenddämmerung hinaus in ihnen auf. Einsam ist man dort, wenn man sich durch Schlamm und Wassergräben hinauf auf die torfige Kuppe geschleppt hat, von der aus es nichts zu sehen gibt außer Regen und Nebel. Während der Erzähler im feuchtkalten Wind zittert, erfahre ich viel Wissenswertes über die Entstehung des Gebirges, über Blei und Kupfer, über Steinzeitleute, Torfstecher, Rebellen, über die Zwangsläufigkeit, wie eine Landschaft sich auf ihre Bewohner auswirkt und wie die auf sie zurück wirken.

Ich lerne all das auf überaus unterhaltsame Weise.

In den Wicklows wohnen kaum Leute. Man kann unbehelligt von Kommunikation durch den Matsch stapfen und sich der meditativen Wirkung hingeben, die durch die alternierende Bewegung des Gehens entsteht und durch die unumgängliche Fokusierung auf den Weg, den es nicht gibt. Daneben kann man sich fragen, was man eigentlich hier will. Motivationsfragen scheinen angesichts der Trostlosigkeit der Landschaft auf der Hand zu liegen.

Aber dann kommt die Nacht.

Mit ihr die Überempfindlichkeit gegen Kaugeräusche von Schafen, der man sich im urbanen Getöse nicht bewusst ist. Das Unbewusste im Schafspelz gewissermaßen. Die Urangst vor der Dunkelheit (ein wunderbares Kapitel) und die vor dem Unbehaustsein. Nimmt man das Haus als Sinnbild für Familie oder weiter gefasst für Gemeinschaft, hat man allen Grund sich zu fürchten, wenn man dem unberechenbaren Draußen (Regen, Kälte, Verletzungsrisiko) ausgesetzt ist, allein. Doch der Erzähler braucht gar keine realistische Bedrohung, er bringt seine „Hölle“ im eigenen Kopf mit. Er bringt sie aus der Stadt mit hinaus ins Wilde.

Das wird ihm klar. Dann kommt der Schnee.

Aleks Scholz, Autor und Astronom, erzählt leise, unspektakulär, genau und ironisch. Sehr beeindruckend, wie er Wissen in eine erzählerische Struktur gibt, die unterhält und nachklingt.

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