Mit – „Ich bin kein Rassist […] aber …“ – einem Satz, der sicher vielen gruslig vertraut vorkommt, beginnt Max Annas seinen ersten Roman.
Der Autor, erfahren u.a. als Filmemacher, arbeitet an der University of Fort Hare im südafrikanischen East London an einem Projekt über südafrikanischen Jazz. So gestaltet er seinen Roman bildstark und unterlegt von einem dunklen Sound.
Ein Farmhaus in der südafrikanischen Pampa wird angegriffen, während die Sonne untergeht. Die Farmleute – Besitzer, Arbeiter, Unbeteiligte, Kinder, Handwerker ziehen sich ins Haus zurück. Geschosse fliegen, Fenster splittern. Erst stirbt ein Vertreter für Saatgut, dann die Frau vom „Boss“.
Die drinnen stehen im Dunkeln hinsichtlich des Motivs, die draußen sind überrascht von der Gegenwehr. Eigentlich weiß man, drinnen wie draußen, läuft so ein Überfall anders ab. Man hat davon gehört – von der Schnelligkeit, der Effizienz, der Brutalität – wie so etwas von statten geht, wie die ungeschützten Farmer weit draußen auf dem Land, abgekoppelt von Handynetz oder stromlos, Opfer von Raub und Mord werden. Nur gibt es hier nicht viel zu holen. Von der plötzlichen Gewalt gegen sie zwangsweise verbündet, fragen sich die drinnen, „Schwarze“ wie „Weiße“: Was wollen die da draußen?
An dieser Frage ist die Spannung des Romans aufgehängt. Doch ohne, dass es darauf eine Antwort gäbe, wird geschossen, durchaus nicht lustlos und nicht ohne eigene, ganz andersartige Motive von Einzelnen. Die Vergewaltigung einer jungen Frau durch den Sohn des Hauses z.B. wurde vom „Boss“ vertuscht. Ist es nun Zeit für deren Vater Rache zu nehmen, während sich unter der Bedrohung neue Koalitionen bilden, Hierarchien kippen und Stellungen neu verteilt werden, bei „Schwarz“ und „Weiß“?
„Haus“ kann man als Symbol für Familie verstehen. In diesem Haus ist eine versammelt, die alles hergibt, was Familie und damit Gesellschaft en Miniatur zu bieten hat. Der Vater-Boss wird von der Trauer über den Verlust von Frau und Sohn als Alphamann abgesetzt. Die Staatsmacht in Form eines korrupten Polizisten entkommt per Verwundung ihrer Feigheit. Mit der Farmersfrau stirbt die Frömmelei. Die „schwarze Magd“ serviert Kaffee und Gebäck inmitten des Kugelhagels – irgendeiner muss sich ja ums Überleben kümmern. Es gibt schwarze Schafe, verwöhnte Prinzen und rebellische wie brave Töchter. Was alle verbindet, ist die Erfahrung von Gewalt. Nur die Kinder, die nächste Generation, verpennen den Krieg. Bleibt zu hoffen, dass sie rechtzeitig erwacht, um die südafrikanische Gesellschaft neu zu gestalten.
Max Annas` Roman, dieses schmale Bändchen, ist ein komplexes, facettenreiches Sittenbild eines von Apartheidfolgen gebeutelten Landes, den man als solches oder auch als temporeichen, hart getakteten, sarkastischen und blitzgescheiten Thriller lesen kann.
Max Annas, Die Farm, Kriminalroman, Diaphanes, Zürich-Berlin, 2014, Penser-Pulp-Reihe, Hrsg. Thomas Wörtche, S192, 16,95 Euro
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