Robert Brack

Robert Brack, Blutsonntag, Kriminalroman, Edition Nautilus, Hamburg 2010, S. 250, 13,90 Euro

Hasserfüllt und ohnmächtig ist die Kommunistin Klara Schindler, Journalistin der Hamburger Volkzeitung, angesichts des Unrechts, das Polizei und Nazis am 17. Juli 1932 an der Altonaer Bevölkerung begingen. 16 Menschen wurden niedergeschossen. Wer die beiden Nazis tötete, bleibt unklar. Die Zeitungen lügen, und lasten der kommunistischen Kommune die 18 Toten an. Aber so war es nicht. Klara will die Wahrheit über das Geschehen, das als „Blutsonntag“ in die Geschichte eingegangen ist, schreiben, doch niemand lässt sie. Was nützt das Wort, wenn es kein Gehör, keinen Widerhall findet? „Am Anfang war die Tat.“ – Genau! Nicht nur quatschen, machen! Für Klara heißt das Zeugenaussagen sammeln, erst einmal. Das tut sie mittels eines „Magnetofons“, das sie von zwei russischen Genossen bekommt. Im Roman finden sich authentische Aussagen von Anwohnern, Hinterbliebenen, zufällig Beteiligten. Niemand interessiert sich für Klaras Recherche, deshalb entschließt sie sich zum Mord an dem Verantwortlichen. Sie müsse ein Fanal setzen, die Massen aufrütteln, die Revolution in Gang bringen, sagt sie. Ihr Freund und Genosse zweifelt.Schon gruselig, wenn man die Propagandaparolen liest, die der Nazis wie die der Kommunisten, in dem Wissen, wie die Geschichte dann tatsächlich verlaufen ist. Wenn man die Borniertheit, die Radikalisierung, die Idealisierung von Ideologien, die Abspaltung der Wirklichkeit, die Vertuschung, Manipulation und Indoktrination sieht. Tragisch die zerstrittene Linke und die „unpolitische“ Haltung der verarmten Arbeiterschaft, während die Nazis an Einfluss gewinnen. Unter diesen Umständen ist Klaras zunehmende Hilflosigkeit und ihr Mordplan zu verstehen.

Interessant, wenngleich ein wenig mühsam zu lesen, sind die zahlreichen Aufzeichnungen der Augenzeugen. Nur mittels dieser Sammlung wird allmählich die Wahrheit über den von den Nazis inszenierten und von der Polizei ausgeführten Gewaltexzess deutlich.

Natürlich kann man fragen, wozu heute ein Roman über den 17. Juli 1932 geschrieben bzw. gelesen werden muss, wo wir doch so informiert zu sein scheinen über die Zeit der Machtergreifung der Nazis. Betrachtet man aber den um sich greifenden Rassismus und die rechten Tendenzen in ganz Europa, die sich in den letzen Jahre abzeichnen, darf man einen Moment darüber nachdenken, in welche Richtung ökonomische Verwerfungen führen können.

Bei aller sprachlicher Klarheit und Brillanz ist es ein Roman, der sich ein wenig sträubt und dennoch gelesen gehört.

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