Ehe für alle – ein wichtiger Schritt in Richtung Gleichstellung. Aber was es mit der Ehe auf sich hat … Liebe und so? Ich denke, sie ist ein Vertrag mit dem Staat und es gäbe noch einiges zu tun an den Vertragsbedingungen. Lena Blaudez hat 2013 ein Buch publiziert, dass sich mit diesem Vertrag befasst, auf sehr unterhaltsame Weise:
Rosa ist der Einband des Buches mit Icons darauf wie Sticker: Brautleute und Herzchen (man ist versucht, sie abzuziehen). Außerdem kommt es im Stil von Frauenzeitschriften und als Quiz, wie der Titel schon sagt, daher. Ganz harmlos, eigentlich. Doch gleich auf den ersten Seiten werden wir gewarnt. Und das zu Recht!
Der Klappentext erklärt noch, dies sei ein Buch für „Heiratswillige und Frischverheiratete“. – Mag sein, ja, das auch.
Doch vielmehr ist es ein Buch über den Zustand unserer Gesellschaft. Aus dem Ehebett betrachtet. Man glaubt es vielleicht nicht, aber es ist ein wirklich guter Ort, eine sinnvolle Perspektive für eine solche Analyse.
Amüsant und leichtfüßig wird die ungleiche Verteilung von ökonomischen Ressourcen zwischen Männern und Frauen erörtert, wie Machtverhältnisse zementiert werden, zu wessen Lasten sich die Ungleichheit auswirkt und auf welche Weise sie konsolidiert wird. Das klingt ganz und gar unspannend. Schließlich wissen wir alle, dass Frauen die Kinder betreuen, weil Männer mehr Geld verdienen, oder besser – mehr Geld bekommen für die gleiche Arbeit. Aber glauben wir das auch? Und wissen wir, welche biopsychosozialen Auswirkungen das hat? Wie viel wissen wir über die Funktion tradierter Rollenverteilung als Ursache für häusliche Gewalt?
Die Autorin macht höchst unterhaltsam deutlich, wie tief und in welcher Art Gesetzgebung und Tradition in private Beziehungen eingreifen und welche Folgen es hat, wenn man einen Vertrag wie die Ehe eingeht und welche, wenn nicht. Dabei ist dies weder ein soziologisches Lehrbuch noch eine dröge Abhandlung über die Ungerechtigkeit der Welt.
Zwischen den Fragen, die z.B. lauten können: „Wie ändert sich der Alkoholkonsum in der Ehe?“ oder „Wann endet die Phase der sogenannten temporären Zwangsneurose (wird auch als Zeitpunkt der Entidealisierung tituliert)?“ finden sich Zitate, Anekdoten und Erläuterungen hübsch bunt gemischt, ohne den roten Faden zu verlieren. Für alle, die bereits verheiratet sind, hat auch die Scheidung ihren Platz.
Wenngleich die hohe Scheidungsrate oft beklagt wird, scheint sie mir Ausdruck einer größeren Unabhängigkeit zumindest gegenüber Konventionen, in geringerem Maße ökonomische Freiheit zu sein. Hab ich mir so gedacht. Und genau das ist es, was die Lektüre empfiehlt: Nachdenken! Ruhig ein wenig desillusionieren lassen, noch einmal nachdenken und … dann trotzdem heiraten, falls es denn sein muss. Mit roten Rosen, Prinzessinnenkleid und Schwiegermonster.
Selbstverständlich gibt es eine Belohnung, wenn man das Buch zu Ende gelesen und sich den Fragen gestellt hat. Man erwirbt den „Ehe-Führerschein“, eine überaus sinnvolle Einrichtung, die gesetzlich vorgeschrieben werden sollte!
So rosa, fröhlich, ironisch dieses Büchlein daherkommt, so finster sind die Erkenntnisse, die man ihm entnehmen kann. Dabei kommt es ganz ohne Schuldzuweisungen und Didaxe aus (nein, die Männer sind nicht an allem schuld, sie sind auch Teil des Systems und nicht ausschließlich gewinnender) und endet durchaus hoffnungsvoll: „Liebe ist nicht zuletzt, auf die Freiheit des anderen zu achten.“
Lena Blaudez. Das Ehe-Quiz. Sachbuch. humboldt 2017, 176 Seiten, 9,95 Euro
„Liebe ist nicht zuletzt, auf die Freiheit des anderen zu achten.“ Danke für die Besprechung und diesen Satz.
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