„Messertanz“ von Katja Bohnet, eine Rezension

 

messertanz-673x1024Für den einen ist Familie der Platz, an dem es Zuwendung und Hühnersuppe gibt, für den anderen ist sie ein Ort der Gewalt und des Grauens.

Rosa Lopez, Ermittlerin beim LKA in Berlin, wird zu einer schlimm zugerichteten Leiche in die Tristesse der Plattenbausiedlung Marzahn gerufen. Begleitet wird sie von Viktor Saizew, der gar nicht dabei sein dürfte, weil er wegen der Anfälle, unter denen er neuerdings leidet, zum Doc müsste. Der gigantische Viktor und die einsilbige Lopez sind ein eingeschworenes Team. Mit Geheimnissen.

Die russische Einwanderin in Marzahn bleibt nicht die einzige Tote. Man könnte meinen, ein irrer Serientäter gehe um. Aber so ist es nicht. Das heißt, irre ist der Mann, der für den Tod der Frau und für den anderer Menschen verantwortlich ist, nicht. Er hat, wenn schon keine guten, so doch plausible Gründe für sein Tun. Antisoziales Verhalten ist zwar ICD-10 codiert, aber es ist nicht ver-rückt, andernfalls müsste man die Hälfte der Menschheit als irre verstehen.

Katja Bohnet, 1971 geboren, Barkeeperin, TV-Moderatorin, Reisende und Mutter, zeichnet die Figuren in ihrem Debütroman einfühlsam, facettenreich, komplex und glaubwürdig. Im Gegensatz zu vielen anderen Krimis auch den Täter, der ohne Vernetzung mit Institutionen außerstande wäre, in dem Ausmaße kriminell zu handeln, wie er es tut. Mord ist gewissermaßen nur eine Nebenwirkung seiner Biographie, die mit der von Viktor verknüpft ist. Wie der Täter musste sich Viktor als Heranwachsender durchschlagen, im Wortsinne, hatte aber Glück mit seiner Großmutter. Liebe, Forderung und Förderung als Ressourcen führten ihn nicht in die Kriminalität, sondern zur Polizei. Die Kante in seinem Leben, an der es anders hätte kommen können, ist schmal und überzeugend dargestellt. Weniger überzeugend scheint der Umstand, dass man Viktor mit seinem Anfallsleiden nicht sofort aus dem Verkehr zieht.

Über solch kleine Holperigkeiten muss man hinwegsehen, denn der Roman ist wegen seiner sprachlichen Brillanz, den lakonischen Dialogen, der dichten Atmosphäre und der kreativen Bebilderung ein Vergnügen.

Er wird getragen von eigenwilligen Charakteren wie Lopez, deren Sohn als Kleinkind verschwand, der einbeinigen Tonja mit der sonoren Stimme und der behinderten Tochter, oder der quirligen Rechtsmedizinerin, die ihr Adoptivkind liebt, gleichgültig wie sehr es sie herausfordert. Mütter sind sie, Frauen mit Kraft und Trotz und Optimismus entgegen dem Wahrscheinlichen, weil es keine Alternative gibt. Alle haben Gewalt und Schicksalsschläge erlebt – und sich nicht abgefunden.

Es geht nicht alles gut aus, so viel sei verraten, das kann es auch nicht. Doch auf die Weise lässt der Schluss dieses großartigen Debüts auf eine Fortsetzung hoffen.

Katja Bohnet, Messertanz, Thriller, Droemer-Knaur, München, 2015, 304 Seiten, 9,99 Euro

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