Quatschen gegen den Tod

Tasse

Ich sag’s ja immer schon – Smalltalk ist eine feine Sache. Gestern Abend sah ich eine Doku auf Arte über unsere Frühentwicklung, also so als Menschheit, u.a. wurde eine plausible Hypothese, wieso wir das Gequassel angefangen haben, präsentiert. Mit der Nutzung von Waffen, das muss so um die 400 000 Jahre her sein, die durchaus nicht nur zur Jagd dienten, sondern auch zum Mord (am besten im Schlaf, weil das das eigene Risiko minimierte), wurde es notwendig, sich der Loyalität der Gruppenmitglieder zu versichern. Und wie macht man das? Am besten, in dem man sie gewogen stimmt. Redet man über das Wetter oder über das Schicksal von Tante Erna oder, noch besser, erzählt man eine spannende Gesichte, steigt das Ansehen in der Gruppe. Angeblich reden wir heute ca. 6 Stunden am Tag und mehrheitlich banales Zeug. Im Hinblick darauf, dass es unserem individuellen Überleben und damit unserem sozialen Überleben nützt – super!

Konkret kann das in Westfalen z.B. so aussehen:

„Wie isset?“

„Et mutt.“

Übersetzung:

„Bist du noch der Selbe, den ich beim letzten Mal traf? Bist du noch gut mit mir?“

„Ja. Danke der Nachfrage. Aber das Leben ist schwer, wie du weißt.“

Es hätte alles so schön sein können. Unsere Ahnen sind in kleinen Grüppchen rumgezogen, haben sich Geschichten am Feuer erzählt, sich immer mal an einem magischen Ort zur Party getroffen … Aber dann wurden sie sesshaft und der Mehrwert hat alles versaut. Da musste plötzlich alles aufgeschrieben werden, was an Weizen über war. Womöglich ist die Entstehung der Schrift vor 6000 Jahren die eigentliche Vertreibung aus dem Paradies, denn die Deutungshoheit der Aufzeichnungen und damit die Verteilung von Ressourcen oblag wenigen, die damit herrschen konnten. Besonders dumm gelaufen ist es für uns Frauen. Schließlich konnte man aufschreiben, wer wann welche Kinder von welchem Mann bekommen hat, damit das Land auch an die eigne Sippe vererbt werden konnte, also unter der Bedingung einer sich herausbildenden monogamen Beziehungsmoral, die an die passagere Bedürftigkeit während und nach Schwangerschaften gebunden ist.

Kleiner Zeitsprung: Kein Wunder, dass sich heute ökonomisch unabhängige Frauen häufiger gegen Kinder entscheiden, wenn die Gesellschaft sie nicht ausreichend als ihr ureigenstes Anliegen zum Fortbestand würdigt.

Naja, ich bin altmodisch. Ich hab Kinder. Ihnen schreibe ich auf, wie ich die Welt sehe, wer auch immer inzwischen die Deutungshoheit über Geschriebenes haben mag.

Und nun setz ich mich ins Café und quassele ein bisschen, um dem nächtlichen Tod zu entgehen.

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