Nebel im Kopf
Den Rest von dir hätte ich auch gern mitgenommen, hierher in den Auwald. Ich würde mit dir an der Pleiße entlangwandern, achtgeben, dass du nicht vom Weg abkommst und dir nasse Füße holst. Es könnte nach Bärlauch riechen, ein wenig wie Knoblauch, wenn die Stängel ihre weißen Dolden wiegen. Der Waldboden wäre bedeckt davon, soweit der Blick reichte. Zu früh im Jahr für den Bärlauch, wir müssten auf den Frühling warten. Nun ja.
So gehe ich mit deinem Kopf in meiner Handtasche durch den Nebel. Träge wuchtet der Fluss seine Wasser zum Meer. Tröpfchen, die fliehen konnten, tanzen in sanften Schleiern über ihm. In meiner Handtasche habe ich alles, was wichtig ist. Lippenstift, Ausweis, Geld, Messer, Taschentücher, Heinrich Heine – Gedichte, und deinen Kopf. Er ist das Beste an dir. Nicht, dass ich deinen Leib nicht mögen würde. Ich mag ihn, sehr sogar, er ist nur etwas unhandlich. In deinem Kopf ist alles niedergelegt, ja eingebrannt in die Zellen, was ihn ausmacht. Und natürlich all die klugen Gedanken über die Welt. Ich konnte ihn nicht lassen. Wir wollten doch runter zum Fluss, weißt du noch, damals, als alles leicht und sommerlich war? Wir wollten Vodka trinken und über das Leben lachen, weißt du noch? Ich habe gewartet.
Ein Lastkahn dümpelt vorüber, der Schiffer winkt. Ich sehe beide verschwinden.
Du hast gesagt, später. In langen Nächten, schlaflos, habe ich auf später gewartet. Später hast du gesagt, was ich mir einbilden würde und wie ich darauf käme. Du hättest keine Zeit für Vodka, Fluss und Unfug, hast mein Herz, in Cellophan verpackt, auf deine Fensterbank gelegt und vergessen. Da verstaubt es nun und ich bin ohne.
Okay, hab ich gedacht, muss es eben so gehen. Man soll pragmatisch sein. Radikale Akzeptanz des Ist. Aber auf deinen Kopf konnte ich nicht verzichten.
Das Holz an der kleinen Anlegestelle ist feucht. Ich setze mich trotzdem. Schön ist es hier im Nebel, weißt du? Ich sitze. Warte. Deinen Kopf bei mir und meinen in den tanzenden Tröpfchen. Wenn du mal Zeit hast, komm einfach und ich schenk ihn dir zurück, deinen Kopf.