Ich bin in eine kleine Diskussion bei Facebook geraten. Zoë Beck hatte einen Link, einen Bericht in der FAZ über Lann Hornscheidt, Professur über Gender Studies an der HU Berlin, geteilt. Darüber entspann sich nicht nur ein nettes Gespräch, sondern Vorbehalte, Missachtung und ein Mangel an Empathie wurden deutlich. Man kann sich wirklich fragen warum. Das hab ich mal getan.
Woher kommen der Hass, die Schmähungen, die Proteste, die Unterstellungen, die Ablehnung, wenn jemand seinem Sosein, wobei es egal ist, wie dieses geartet ist, Ausdruck verleiht und/oder mehr Raum in der Gesellschaft beansprucht? Dabei ist es auch egal, ob homosexuelle Paare Kinder adoptieren dürfen sollen, ob eine Frauenquote in den Chefetagen der Konzerne und Banken eingeführt werden soll, oder ob ein Profx sich so nennen will/sollte/darf. Sofort entsteht ein Riesenpalaver darum, beleidigend, hasserfüllt und mit Gewalt drohend. Na, klar! Ist ja auch riskant für das „Bewährte“. Wer gibt schon freiwillig Macht ab? Tatsächlich ist sogar was dran am Bewahrenden. Es ist zuerst einmal nützlich fürs Überleben und bietet der Gruppe und damit dem Einzelnen Stabilität und Sicherheit. Inzwischen wissen wir ja, dass wir von unseren Vorfahren aus der Steinzeit innerlich nicht so weit weg sind. Nun sind gesellschaftliche Strukturen komplex und Phänomene nicht in zwei, drei Sätzen zu beschreiben. Ich versuch es mal mit meinen Mitteln:
Ich denke, es ist das Andere. (Das Andere ist es immer.)
Da wären wir jetzt in der Entwicklungsphase 18.-24. Lebensmonat, der Ich-Entdeckung quasi. Die Dyade zwischen Mama und Mini wird aufgelöst, schon wegen des aufrechten Gangs, und zupp, ist das Mini in die feindliche Welt geworfen, zum Glück ausgestattet mit einer ordentlichen Portion Neugier. Und es entdeckt (günstigstenfalls unter dem wachsamen, aber nicht überängstlichem Auge von Mama) das Dritte, das Andere, das Väterliche, das Gefährliche, das Neue. Ängstlich zunächst tut es die ersten Schritte, sicherer, wenn es sich umdreht und Mamas wohlwollenden Blick auf sich spürt. Oder Mama hält es, damit es nicht in den Abgrund stürzt, den es nicht erwartet. Klappt das alles gut, geht es sicher, angemessen vorsichtig und frohen Mutes in die Welt.
Okay, es gibt auch Genetik. Die Ängstlichen wie die Hasardeure bringen ihr Erbe mit. Sie finden jeweils unterschiedliche Lösungen, mit dem Anderen umzugehen. Rückzug, Vermeidung, Annexion, Okkupation, oder sich vertraut machen, Kennenlernen, Lernen … je nachdem, wie’s so läuft, auch welche Erfahrungen das Mini mit dem Anderen machen darf. Das ganze Ding heißt Trianuglierung und ist nicht zwangsläufig an die reale Vater-Mutter-Kind-Konstellation gebunden, sondern man benutzt die Begriffe das Mütterliche – für Fürsorge, das Väterliche – für Forderung, beides zwingende Notwendigkeiten für Entwicklung. Es ist wurscht, welche Person die jeweilige Funktion des Väterlichen oder Mütterlichen inne hat, Hauptsache, sie wird gut ausgefüllt.
Das Andere ist also eine erste und fundamentale Erfahrung, die primär als Gefahr erlebt, dann aber mittels sich entwickelnder Strategien gehandhabt wird.
Und da, glaub ich, gibt es etwas, das bedeutsam für unsere Zeit ist. Ich bin weit davon entfernt, zu sagen, dass alle, die sich im Internet mit Parolen und Diffamierung hervortun, strukturell gestört sind. Aber verunsichert in ihren Rollen sind sie gewiss. Das, was noch vor gar nicht langer Zeit als typisch männlich/weiblich galt, steht in Frage. Wie also verhält man sich dem Mini gegenüber, das das Laufen lernt, wenn man den eigenen Platz nicht mehr kennt? Und was hält das Mini davon, wenn es mit so unsicheren Leuten zu tun hat? Ist es da nicht wirklich sicherer, sich auf Tradiertes zu beziehen, bevor man riskiert, der Nachfolgegeneration etwas völlig Neuartiges, womöglich Gefährliches zuzumuten? Der Nachfolgegeneration! Für die sind wir nämlich auf der Welt. (Nicht als Einzelner, sondern als System.)
Und so eine Nachfolgegeneration kommt ja auch nicht von nix. Da braucht es Sex zu. Ausgerechnet und blöderweise so etwas Elementares und Unkontrollierbares wie Sex. (Die Diskussion über die IVF lassen wir jetzt mal außen vor.) Da muss Mann seine Potenz beweisen, trotz seiner Rollenverunsicherung, sonst wird das nix mit Nachfolgegeneration. Also ist es doch besser, er hat sie, die Potenz, und nützlicher Weise die Macht auch in anderen Lebensbereichen, um erstere zu realisieren, oder? Frau einfangen, ehelich, also gesellschaftlich akzeptiert, anbinden, ökonomisch versorgen (Fluch und Segen) und damit alles, inklusive Sex, in geregelte, sichere Bahnen lenken. Und jetzt könnte alles so schön sein, kämen da nicht plötzlich Forderungen. Wie – sie will eine ausgeglichene Aufteilung der Familien- und Erwerbsarbeit? Wie – sie will mehr verdienen? Wie – sie will eigene Vorstellungen vom Leben verwirklichen? Anerkennung, Macht, Unabhängigkeit? Damit muss Mann sich nun schon eine Weile rumschlagen. Aber dann kommt noch so ein Profx daher, mit der seltsamen Idee, man müsse für Andere, die sich geschlechtlich anders verstehen, eigene Begriffe und Bezeichnungen finden. Das ist ja verrückt! Das hatten wir ja noch nie! Was wird denn dann aus der Nachfolgegeneration? Die kommt ja nicht einmal zustande, wenn es Zweifel am Geschlecht gibt. Und welche Rolle ist Mann denn in dem Falle zugedacht? Keine?
Da hat Mann sich die ganze Zeit um die Säbelzahntiger, den Chef, die Überstunden gekümmert, sich mit der Tussi vom Jobcenter angelegt, mit dem Banker um die Rate fürs Häuschen gefeilscht, sich im Akkord oder im Schichtbetrieb abgerackert, kriegt das Mini, das inzwischen kein Mini mehr ist, nicht vom Computer weg oder überhaupt nicht mehr zu Gesicht – da kommt das Andere und sagt: Ich bin da.
Wobei es noch nicht einmal sagen kann, ob es Männlein oder Weiblein ist, was doch jeder sagen kann, wenn er oder sie bei Sinnen ist, nicht wahr. Es stellt sich die Frage, ob das Mini vielleicht auch so ein Anderes ist, schließlich liest es sowas im Netz und noch von einem Profx, oder ein Anderes wird, weil es das liest. Mann hätte den Feind im eignen Haus! Jetzt ist aber Schluss mit lustig! Mann ist ja tolerant, aber in der deutschen Sprache, mit der man zum Mini Kontakt aufbauen konnte, die einen selbst mit Vater verbindet, die einen benennt, also identifiziert, herumfummeln – das geht zu weit! Frau hat Mann bislang im Griff, schließlich füllt er das Konto. Mini muss machen, was Mann sagt, zumindest „solange du deinem Beine unter meinen Tisch streckst“. Aber über Profx kann man seine gesamte Wut über die sich wandelnden, widrigen Umstände, über den Zerfall von Gewissheiten und den Verlust an Macht ausschütten. Und genau das tut Mann dann auch. Wobei ich nicht sagen will, dass nur Männer das tun, Frauen sind im System und vertreten es ebenso unwürdig.
Daher vielleicht der Hass, die Beleidigungen, die Gewaltandrohungen gegenüber so etwas selbstverständlichem wie dem Wunsch, in seinem geschlechtlichen Sosein angesprochen zu werden.
Dies schrieb ich, um mir das zu erklären, nicht mehr und nicht weniger. Akzeptieren kann ich es nicht.
Aber hier sagt Lann Hornscheidt selbst, was gemeint ist. Individualität, Identität, Nonkonformismus … Freiheit eben.
ach weißt du, ich bin mal hetero, mal gar nicht, aber ich gehe damit nicht an eine breite öffentlichkeit und rege mich auch nicht auf, wenn mich (so geschehen bis weit in die 90er) jemand fragt: junger mann, können sie mir helfen, meine taschen zu tragen oder fräuleinchen, wissen sie den weg zur u-bahn. will sagen, ich beziehe keine eindeutige position zur geschlechterdebatte, weil sie mir so wichtig ist wie ein ungefallener reissack in china … ich lass mich eben genauso ungern bevormunden wie die feinde des hier erwähnten professors – vielleicht wäre vorname in kombination mit „sie“ oder „du“ die elegantere lösung – zuviel auswahl scheint schlecht für die menschen, deshalb ist es auch für den überwiegenden teil der menschheit so schwierig, sich vom westen die „demokratie“ aufzwingen zu lassen – notfalls mit waffengewalt
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