Regen … Schnipselchen vom Nächsten

1.

Es regnet.

Die Flut steigt.

Die Wagen vom Katastrophenschutz rollen vorbei, einer nach dem anderen, eine endlose, dahin schleichende Kolonne. Der Junge spürt die nasse Borke des Baums, an dem er lehnt. Sein Fuß sinkt ein wenig mehr in den Waldboden. Ihm ist kalt. Die Frau legt den Arm um ihn, drückt ihn an sich, was es auch nicht besser macht. Dem Mann rinnen Tropfen übers dunkle Gesicht, unter der Haut mahlen seine Kiefer. Er tastet nach der Pistole in seinem Hosenbund, sie ist noch da.

Wieder warten. Seit sie fort sind aus Constanta warten sie. Auf Papiere, auf einen Zug, auf Arbeit, damit sie das Geld für einen Zug haben, auf neue Papiere, andere Arbeit, andere Züge. Zuerst in Ungarn, dann in Polen, danach in Berlin.

Sie wussten, dass der Schuppen von Fausto nicht ihre letzte Station sein würde, kein Ort zum Bleiben. Aber sie konnten ausruhen. Der Mann hat nachts Gartengeräte repariert oder den Keller im Hauptgebäude des Hofs aufgeräumt. Die Frau hat für Fausto gekocht, was der ihr aus seinem Garten brachte. Prächtiges Gemüse – Paprika, Bohnen, Tomaten, Kohl. Manchmal Fleisch – ein Kaninchen aus dem Stall oder ein Lamm. Abends tranken sie Rum und rauchten, während der Junge neben dem Hund schlief. Der Junge ist still, freundlich und sechs Jahre alt. Er kennt es nicht anders. Die Flucht ist sein Kinderzimmer.

Sie kamen im Januar und nun müssen sie weiter wegen des Regens.

Geht, hat Fausto in seiner Sprache gesagt, dann noch einmal auf Russisch. Geht, da oben am Berg ist ein Haus. Dort könnt ihr bleiben, bis alles vorbei ist. Damit meinte er die Evakuierung. Nun warten sie am Waldrand, damit sie die Straße überqueren und den Berg hinauf können. Hinter ihnen donnert der Fluss.

 

2.

Es regnet.

Ich möchte tot sein

oder in Amsterdam, zuerst einmal, dann weiter ans Meer und die Atlantikküste entlang, dorthin wo die Sonne scheint und das gute Leben wohnt.

Seit Tagen, vielleicht seit Wochen schon, ich bin nicht sicher, regnet es. Ich habe nicht darauf geachtet. Wetter spielt normalerweise in meinem Leben eine untergeordnete Rolle. Ausgerechnet jetzt regnet es. Ein einziges Mal in all den Jahren, ja Jahrzehnten, fahre ich in Urlaub und es schüttet, als hätte die Atmosphäre sämtliche Wasser über mir versammelt und entlässt es nun auf all die Straßen, die ich passiere …

3 Kommentare

  1. ein krimi über den jahrhundertsommer im oderbruch? inspiriert durch den dauerregen der letzten wochen? rumänische zigeuner auf der reise in den westen?

    ich sitz gerade hier auf der arbeit und wenig zu tun, da kommt mir dein text gerade recht fürs redigat 😉

    bleib im anfang bei den kurzen sätzen -und lass die genitive, sie stören den erzählfluss.
    der junge lehnt an einem baum, spürt die nasse borke. seine füße sinken tiefer in den waldboden.

    (…) seine kiefer mahlen (wo sonst, wenn nicht unter der gesichtshaut – es sei denn, das ist nix mehr)
    faustos schuppen (hier darfs der sächsische sein 😉 war kein ort zum bleiben (das sagt ja schon, dass es nicht die letzte station ist – du sagst ja schon ausruhen
    zeitenfolge: sie wussten, der mann hatte …
    dann wieder zeitenfolge: geht, hatte fausto gesagt usw

    satzbau: als hätte die Atmosphäre sämtliche Wasser über mir versammelt, um sie (die wasser) nun auf all die Straßen zu entlassen, die ich passiere …

    jetzt weißt du, warum ich nie im leben einen roman fertigschreiben werde – ich halt mich immer mit den kleinigkeiten auf 😉

    grüße
    marion

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    1. Ja, ich seh schon.
      Danke Dir! Ist ja wie in alten Zeiten 🙂

      Los, Kaffee trinken, wenn Du so viel Zeit hast!

      liebe Grüße, Anne

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  2. auf kaffee hab ich gestern weitgehend verzichtet (hab mich wohl auf dem dorffest am sonntag überfressen und zwei tage gelitten, oh, oh …)- deshalb hatte ich ja diese ganze zeit 😉

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