Roland Spranger, Kriegsgebiete, Kriminalroman, Bookspot Verlag, München, 2012, S. 224, 14, 80 Euro
Posttraumatische Belastungsstörungen sind seit den Einsätzen der Bundeswehr in echten militärischen Auseinandersetzungen beliebte Phänomene im deutschen Kriminalroman, schon der schillernden Symptomatik wegen. Man kann hübsche Schockeffekte und Opfer-zu-Täter-und zurück-Konstruktionen mit ihnen basteln. Das bleibt uns in „Kriegsgebiete“ erspart, soviel vorweg.
Der Soldat Daniel Schramm gerät mit seinem Team in einen Hinterhalt in einem afghanischen Dorf. Drei Soldaten sterben. Oder sind es vier? Oder …
Ein Jahr später und zurück in Deutschland hat Daniel weder Übersicht noch Sicherheit wiedergewonnen. Alpträume, flash backs und Panikattacken halten sein Hirn in Schach. Seine Frau Melanie verlässt den impulsiven, gereizten Mann samt Tochter zugunsten eines emotional und ökonomisch zuverlässigeren. Daniel ist einsam und gekränkt, und fest im Griff der Symptomatik. Halt im Chaos bieten ihm sein Therapeut, eine strenge Tagesstruktur und der Sport. Okay, Sport. Es ist eher selbstverletzendes Verhalten, am Ausmaß gemessen. Der Schmerz versichert ihn der Welt. Wer Schmerzen empfindet, ist weder tot noch völlig abgedreht. Gerade dabei, sich in einen stabilen Alltag zurück zu kämpfen, findet er eine Frauenleiche. Wegen seiner Spleens (er hat das Inventar seines Hauses zertrümmert und das Restmobiliar in den Garten getragen, um darin zu wohnen) und seiner Unberechenbarkeit gerät er unter Mordverdacht. Die Tote im Teich bleibt nicht die einzige Leiche. Gemeinsam mit einem Freund recherchiert er zu den Opfern, um sich von dem Verdacht zu befreien. Dabei ist er sich nicht sicher, ob er nicht doch … Sein Kampfmesser ist verschwunden, seine Erinnerung fragil, und die Qual der Schuld, die er sich am Tod der Kameraden gibt, gnadenlos.
Roland Spranger erzählt bildhaft, plastisch, filmisch, intensiv. Objekte haben ein Eigenleben (Bsp: „Das Ledersofa hatte nur ein leises Schönwetterschnurren von sich gegeben. Keinen Regenseufzer.“). Auch ihnen ist nicht zu trauen, was wunderbar für die Befürchtungen im magischen Denken steht. Will heißen, in den Bildern zeigt sich die allgegenwärtige Gefahr, selbst im banalsten. Dem muss durch Kontrolle und Wachsamkeit entgegen gewirkt werden. Wenn man nicht aufpasst, ist man tot. Dem Autor gelingt es ausgezeichnet, dieses Modell psychischer Zusammenhänge sprachlich abzubilden. Die Figur des kriegstraumatisierten Daniel mit seinen (scheinbaren) Absonderlichkeiten ist höchst plausibel gestaltet. Sie trägt den Roman, sodass kleine Plotschwächen nicht ins Gewicht fallen. Der Ausnahmezustand, in den Daniel via Gewalterfahrung hinein katapultiert wurde, wird wunderbar kontrastiert in der Trivialität des Alltäglichen und stellt damit die Frage nach der Sinnhaftigkeit militärischer Einsätze, weiter gedacht, des Krieges überhaupt und die nach der Verantwortung des Einzelnen; an keiner Stelle allerdings explizit, sondern konsequent narrativ. Eine Qualität des Romans ist die Ironie, mit der diese Fragen verhandelt werden.
Er erhielt den Friedrich-Glauser-Preis 2013. Es ist ein außergewöhnlicher Roman!
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