Die „Neue Rechte“ auf der Couch

Vorweg und bevor Missverständnisse entstehen:

Dies ist ein Modell! Ist ein Modell! Ist ein Modell!

Es ist natürlich „verboten“ Psychodiagnostik auf gesellschaftliche Phänomene anzuwenden. Deswegen vereinfache ich hier unzulässig und nenne den „Neuen Rechten“ einmal Bernd. Als Einzelner kann er anhand seiner Aussagen durchaus auf seine Persönlichkeitsmerkmale hin untersucht werden. Das Ergebnis macht hoffentlich deutlich, weshalb es wenig erfolgversprechend ist, sich mit Bernd auf Diskussionen seiner Ideologie einzulassen.

couch

Wer ist nun dieser Bernd?

Zuerst einmal ist unser Bernd ein Konglomerat aus unterschiedlichen Gruppen, die sich zeitweise zu Aktionen zusammenschließen, sich nach außen moderat und kreativ geben, tatsächlich aber Rassismus und Nationalismus sozial akzeptabel machen (wollen). Auf diesem Hintergrund wird zu Gewalt ermutigt und gewalttätiges Handeln legitimiert.

Versuch einer Bernd-Analyse mittels des Diagnostiktools OPD2

41-H6ZAZ5BL._SX345_BO1,204,203,200_Begriff: OPD2 = Operationalisierte psychodynamische Diagnostik 2; Mit diesem Tool kann man Psychopathologie darstellen, erfasst wird ausschließlich Dysfunktionalität, das heißt: Was gut gelingt im Leben, gelingt halt. Das ist okay. Also wenn jemand isst, schläft, Hygiene betreibt, einen Tagesrhythmus hat, seine Aufgaben hinkriegt, Beziehungen pflegt, andere Leute nicht schädigt, Freude empfinden kann, ist alles super.

Was bei Bernd direkt auffällt: Er hat diverse Sorgen und Baustellen, ein umschriebener innerer Konflikt ist nicht auszumachen. Man könnte also vermuten, Bernd hat eine Persönlichkeitsstörung, das heißt, er verfügt nicht über ausreichend innere Stabilität, um mit den aktuellen Bedingungen und Anforderungen klarzukommen. Nur merkt er selbst das nicht, sondern er wird auffällig in den Punkten: Beziehungen und andere Leute nicht schädigen. Nachfolgend beschreibe ich anhand von Bernds Aussagen (Fußnoten geben die Quellen an), was ich meine.

Produktion von Feindbildern:

„Die One-World-Ideologen wollen nicht ein bißchen politische und kulturelle Gleichschaltung, das war das 20. Jahrhundert, das ist Vergangenheit. Sie wollen die totale anthropologische Gleichschaltung.“[1]

Interpretation: Was für eine seltsame Unterstellung! Das ist es, was Humanist*innen (hier als Ideologen diffamiert) nicht wollen. Vielfalt und Bereicherung oder Koexistenz sind die Ziele. Integration aller Menschen in eine Gesellschaft, nicht Assimilation durch eine Gesellschaft. Diese Unterstellung zeugt von Bernds Problemen in der Objektwahrnehmung. Das Bild des anderen ist durch Projektionen von eigenen Befürchtungen (in diesem Falle die „Gleichschaltung“, also die Auflösung der „Identität“, des Selbst) geprägt. Außerdem wird generalisiert: „die totale …“, eine Formulierung, die mit Hitlers „totalem Krieg“ assoziiert werden kann.

panzer

„Die etablierte Politik und die mit ihnen verbündeten Leitmedien setzen hier auf das bewährte divide et impera, auf die Parole „Teile und herrsche!“ So versucht das Establishment, eine erfolgreiche neue politische Kraft dadurch unter ihre Kontrolle zu bringen, daß sie den augenscheinlich systemferneren Teil stigmatisiert und abtrennt und den systemnäheren Teil umwirbt und assimiliert.“ [1]

Interpretation ähnlich wie oben. Falsche Zuschreibungen im Sinne von Projektionen. Interessenausgleich ist schwierig: die Beziehung – in dem Falle zu den gewählten Vertretern – ist durch das Gefühl der Bedrohtheit eigener Interessen geprägt. Eine Vorstellung von den Interessen des anderen (z.B. eine möglichst unabhängige Berichterstattung) fehlt. Bei gut integrierter Struktur wäre ein Interessenausgleich selbstverständlich.

„6.6 Für ein klares Familienbild – Gender-Ideologie ist verfassungsfeindlich

Die Gender-Ideologie marginalisiert naturgegebene Unterschiede zwischen den Geschlechtern und stellt geschlechtliche Identität in Frage. Sie will die klassische Familie als Lebensmodell und Rollenbild abschaffen. Damit steht sie in klarem Widerspruch zum Grundgesetz, das die (klassisch verstandene) Ehe und Familie als staatstragendes Institut schützt, weil nur dieses das Staatsvolk als Träger der Souveränität hervorbringen kann.

guillotineDie Ideologie des Multikulturalismus gefährdet alle diese kulturellen Errungenschaften. „Multi-Kultur“ ist Nicht-Kultur. Sie löst die Gemeinschaft auf und befördert die Entstehung von Parallelgesellschaften. Dauerhafte existierende Parallelgesellschaften führen sehr oft zu innenpolitischen Konflikten und können letztlich sogar den Zerfall eines Staates bewirken.“[2]

Interpretation: Falsche Zuschreibungen. Versuch, die eigene, unsichere Identität durch festgelegte, quasi naturgegebene (man könnte ebenso gut gottgegebene sagen) Bestimmtheit zu sichern. Die Vielfalt wird als bedrohlich für das Selbst verstanden. Ihr wird unterstellt, das Selbst vernichten zu wollen.

Abwertung:

„Denn mit der AfD konnte sich zum ersten Mal seit Jahrzehnten eine politische Kraft in der Bundesrepublik Deutschland etablieren, die für Selbstbehauptung und nicht für Selbstaufgabe steht. Und das in einem Volk, das alt, kinderlos und zukunftsvergessen ist, weil es materialisiert, infantilisiert und neurotisiert wurde. Die Bundesdeutschen sind in meinen Augen eine historisch einmalige Mischung aus Spaßgesellschaft und Schuldgemeinschaft.“[1]

Interpretation: Selbstüberhöhung zu Lasten des anderen: Damit wird eine behauptet progressive Elite (die AfD) dem tumben Volk gegenübergestellt und dieser Elite das Vertrauen ausgesprochen, das Volk aus seiner Lethargie, seinem Neurotizismus und seiner Verkommenheit, die in es hineingepflanzt wurde (das Feindbild ist implizit), herauszuführen, messianisch quasi, und zwar mittels „Selbstbehauptung“, nicht etwa per Selbstwert vermittelter Selbstwirksamkeit.

Mangel an Empathie

„1.12 Vertragsfreiheit bewahren

Die AfD tritt für die Bewahrung bzw. Wiederherstellung der bürgerlichen Selbstbestimmung im Zivilrechtsverkehr ein. Deshalb lehnen wir sogenannte ,,Antidiskriminierungsgesetze“ ab. Zentraler Grundwert einer freiheitlichen Zivilrechtsordnung ist die Vertragsabschlussfreiheit. Das ist die Freiheit jedes Einzelnen, selbst darüber zu entscheiden, ob er mit einem anderen Bürger in rechtliche Beziehungen treten will oder nicht. Unter dem Einfluss der Europäischen Union wird dieses fundamentale Prinzip der Privatautonomie in der deutschen Gesetzgebung Schritt für Schritt zerstört.“[2]

Interpretation: Die Erlebniswelt anderer kann nicht nachempfunden werden. So werden zum Einen Gruppen vereinnahmt („du bist wie ich“, Verschiebung bzw. Aufhebung von Grenzen) und zum Anderen wird das Selbst (hier: die Gemeinschaft) in scheinautonome Individuen zersplittert und entsolidarisiert.

Generalisierung:

„4.3 Organisierte Kriminalität bekämpfen

Die Organisierte Kriminalität muss nachhaltig bekämpft werden. Die aus ihren Straftaten erzielten „Gewinne“ müssen restlos abgeschöpft werden. Da die Mehrzahl der Täter im Bereich der Organisierten Kriminalität Ausländer sind, soll bei begründetem Verdacht die Zugehörigkeit zu einer derartigen Organisation als Ausweisungsgrund eingeführt werden.“[2]

Interpretation: Falsche Zuschreibung und Generalisierung – hier: (Fast) alle Ausländer sind kriminell organisiert. Mangelnde Kenntnis von Organisierter Kriminalität (OK). Geplante Mittäterschaft in der OK – hier: Gewinne abschöpfen, was ja OK wäre! Kriminalität ist ein Hinweis auf eine geringe oder fehlende strukturelle Integration. Und die mangelnde Kenntnis der Zusammenhänge wirkt auch ein wenig ulkig.

Was machen wir nun mit Bernd?

Dies sollen Beispiele sein, die darstellen,  wie wenig Zweck es hat, Bernd von anderen Vorstellungen überzeugen zu wollen. (Es gäbe derer viele und andere mehr.) Er kann es sich einfach nicht leisten nicht um seiner Selbst willen – sich anderen Argumenten zugänglich zu zeigen. Denn würde er Empathie statt Egozentrismus, Differenziertheit statt Generalisierung, Respekt statt Abwertung und Zuwendung statt Feindbildprägung hinbekommen, wäre Bernd nicht mehr Bernd, sondern ein wirklich netter Kerl, mit dem ich gern ein Bier trinken, über unser aller Haus – die Welt – plaudern und eine gute Nachbarschaft pflegen würde. Da das nun nicht geht, ist es nötig, Bernd zu sagen, dass er sein kann wie er will, nur nicht auf anderer Leute Kosten. Das ist nämlich, wenn Bernd es auch nicht verstehen kann wegen seines Mangels an innerer Struktur, verboten.

haus2

Soll heißen: Da es der „Neuen Rechten“ nicht möglich ist, die Positionen aufzugeben, die Menschen diffamieren, herabsetzen, marginalisieren und mit Gewalt bedrohen, weil sie dann nicht mehr die „Neue Rechte“ wäre, müssen wir, die wir nicht Teil von ihr sind, integrierende, solidarisierende, wertschätzende und allgemein humanistische Positionen dagegensetzen, wenn wir ein gutes Leben haben wollen.

Lasst uns an unserem Gemeinwesen werkeln, die Bausubstanz ist noch gut und den Rest kriegen wir schon. Wollen wir?


[1]Björn Höcke: http://www.bjoern-hoecke.de
[2] Aus dem Wahlprogramm der AfD

 

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